Von Broten, Fischen und wahrhaft effektivem Altruismus

Gedanke zum 17. Sonntag im Jahreskreis B (Joh 6,1-15)

Jesus scheint es selber zu spüren. Das Spektakel mit der Brotvermehrung, ist nicht unproblematisch. Er hat zwar nicht gerade Steine in Brot verwandelt, wie der Teufel es ihm in der Wüste vorgeschlagen hatte. Aber mit fünf Broten 5000 Menschen zu ernähren, kommt der Sache schon sehr nahe. Und wie der Grossinquisitor in Dostojewskijs Roman „Die Brüder Karamasow“ schon so treffend feststellt: Viele Menschen sind bereit, denjenigen zum König zu machen, der ihnen Brot gibt. Genau das war aber offensichtlich nicht die Absicht Jesu und so stellt sich die Frage, was er mit diesem Zeichen seiner göttlichen Macht sonst noch bezweckt haben könnte.

Ein kleines Detail, das nur im Johannesevangelium explizit erwähnt wird, kann uns hier vielleicht weiterhelfen. Denn die fünft Brote und zwei Fische, die als Voraussetzung für das Wunder dienen, sind nicht einfach so da. Sie gehören einem kleinen Jungen. Und da ich nicht davon ausgehe, dass Jesus und die Jünger ihm diesen Besitz einfach so weggenommen haben, muss er sie wohl freiwillig zur Verfügung gestellt haben. Was wir hier geneigt sind, als selbstverständlich vorauszusetzen, scheint mir aber alles andere als selbstverständlich zu sein.

Ich weiss nicht, wie ich spontan reagieren würde, wenn ich inmitten einer Menschenmasse und weit weg von jeder Siedlung plötzlich realisieren würde, dass es nichts zu essen gibt. Glücklicherweise habe ich vorgesorgt und für mich ein kleines Picknick mitgebracht. Und natürlich bin ich auch bereit, davon zur Not etwas abzugeben. Aber da ich modern und darum nicht nur menschenfreundlich sondern auch effektiv altruistisch sein möchte, teile ich das Wenige wenn schon dann mit denen, von denen ich meine, dass sie es am besten brauchen können. Denn für 5000 reicht es ohnehin nicht und wenn ich es einfach so aus der Hand gebe, weiss ich ja nicht, wer letztlich davon profitiert. Hand aufs Herz, wer von uns würde einfach so seine Brote und Fische herausrücken, wenn die Jünger vorbeikämen?

Der kleine Junge hat es getan. Er hat im Vertrauen das Wenige, das er hatte, zur Verfügung gestellt und losgelassen. Und damit hat er die Voraussetzung geschaffen, dass Jesus sein Wunder wirken konnte. Die von Jesus ernährte und begeisterte Menge und die zwölf mit Brot gefüllten Körbe, von denen man noch 2000 Jahre später den Kindern erzählt, haben also ihren Ursprung in der freien Entscheidung eines kleinen Jungen, der den Worten Jesu vertraut und dem Drängen seines eigenen Magens widerstanden hat.

Wir haben die Tendenz, unseren Blick vom Ausserordentlichen und Spektakulären fesseln zu lassen. Und dabei verlieren wir das eigentlich Ausserordentliche des Ursprungs aus dem Blick, der oft vergleichsweise klein, bescheiden und unbedeutend erscheint. Der prächtige Baum, in dem die Vögel nisten, hat seinen Ursprung im Senfkorn, dem kleinsten aller Samen. Die ganze Existenz und das reiche kulturelle Erbe des Christentums haben ihren Ursprung im Ja einer jungen Frau, die bereit war, sich auf einen Engel einzulassen. Und zahlreiche Wunder und Heilungen haben ihren Ursprung in der Sehnsucht und im Vertrauen von einfachen Menschen, die bereit waren, sich von Jesus berühren zu lassen: „Dein Glaube hat dir geholfen“.

Vielleicht liegt der eigentliche Sinn der Brotvermehrung also nicht im spektakulären Beweis göttlicher Macht, sondern im Blick auf den kleinen Jungen und in der Einladung an jeden einzelnen von uns, darauf zu vertrauen, dass Gott auch aus dem Wenigen, was wir haben, etwas Grossen machen kann, vorausgesetzt, wir sind bereit, auch unsere fünf Brote und zwei Fische herauszurücken und hinzugeben, zum Segen für uns und die ganze Welt.

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